Der Neustart der weltweiten Hochseeflotte verläuft mehr als zäh. Es sind nicht viele Schiffe, die es versuchen. Während Costa, Aida oder MSC Cruises längere Vorlaufzeiten einlegen mussten, starteten TUI Cruises und etwas später Hapag-Lloyd Cruises schneller. Auch einige ausländische Anbieter sind wieder aktiv – wie Ponant, CroisiEurope oder SeaDream. Abgesehen von Hurtigruten kam es bisher zu keiner Infektion mit dem Corona-Virus an Bord oder unter den Passagieren. Alle anderen Reedereien konnten den Ernstfall dank ihrer ausgeklügelten Hygienekonzepte, die sich nur in Nuancen unterscheiden, erfolgreich vermeiden. Dagegen müssen die Schiffe der US-Anbieter unverändert beschäftigungslos auf ihren jeweiligen Liegeplätzen verharren. Die US-Gesundheitsbehörde verlängerte die Auslaufsperre zunächst bis Ende Oktober 2020.

Der Einsatz der wenigen Kreuzfahrtschiffe in Europa erfolgt unter strengen Auflagen. Dazu gehört auch die Reduzierung der Kapazität, um Abstandsregeln einhalten zu können – auf im Schnitt 50 Prozent. Erreicht wird dieses Volumen aber eher selten. „Im Schnitt reicht es aber aus“, meint Michael Thamm, CEO der Costa-Group, „wenn wir zumindest 25 bis 30 Prozent der Kapazität auslasten.“ Er vergleicht diese Erlösquote dabei mit den Kosten eines unbeschäftigten Schiffs. Bei Vollkostenrechnung bleibt aber auch ein unter Corona-Bedingungen eingesetztes Schiff immer noch deutlich in roten Zahlen.

Da stellt sich die Frage, warum fahren die einzelnen Schiffe – und das auch noch unter schwierigen Bedingungen – ohne zumindest Break-even zu erreichen? Hinzu kommt: Die Reedereien muten ihren reisewilligen Passagieren, die es ohne eine Kreuzfahrt kaum aushalten können, auch noch viel zu. Absagen oder Veränderungen der Route sind an der Tagesordnung, Rückzahlungen des Reisepreises werden in die Länge gezogen oder mit Gutscheinen befriedigt. Viele Reisebüros müssen sich mit verärgerten Kunden auseinandersetzen, obwohl sie eigentlich nicht der zuständige Adressat sind. Die Folge: Es gibt kaum noch ein Neugeschäft und viele Stammkunden sind verärgert, andere zumindest verunsichert und warten zunächst einmal ab, wie sich die Rahmenbedingen weiter entwickeln.

Die Reedereien reagieren darauf bei ihren wenigen Angeboten oft mit blumigen Worthülsen, um vorsichtig auf die diversen Einschränkungen aufmerksam zu machen. Vorbeugend heißt es beispielsweise, man biete „Blaue Reisen“ oder „Endlich Meer“, aber konkrete Einzelheiten erfahren die Gäste erst kurz vor Reisebeginn. In der Flusskreuzfahrt hat sich der Begriff „Panoramafahrten“ herausgebildet. Statt unbeschwerter Landgänge werden die Passagiere nur in Gruppen in geschlossenen Bussen durch die Städte gefahren – aussteigen auch zum Fotografieren nicht erlaubt. Oder eine Stadt wird nur noch vom Wasser aus im Vorbeifahren präsentiert.

Passagiere, die diese oder ähnliche Einschränkungen akzeptieren, gehören zu den Kunden, deren Vertrauen die Reedereien erhalten wollen. Daher ist es auch nicht das vorrangige Ziel der jetzigen Reiseangebote, Verluste zu minimieren. Der Blick der Veranstalter geht vielmehr in die Zukunft, zu dem noch unbekannten Zeitpunkt, an dem ein Normalbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Alle Prognosen der Wissenschaft deuten auf Mitte 2021 hin. Bis dahin muss das größte Kapital der Reederei, die Bestandskunden in regelmäßigen Abständen betreut werden. Zu dem Instrumentarium gehören neben den einzelnen aktuellen Fahrten, mit denen die jeweilige Reederei vor allem Flagge zeigen und im Gespräch bleiben, persönlich gehaltene Rundschreiben, um die Kunden über die Marktentwicklung und Reedereiinterna zu informieren und auf künftige Fahrten einzustimmen sowie attraktive Sonderkonditionen für Abfahrten in 2021. Das alles dient einem Ziel. Der Bestandskunde muss spüren, dass „sein“ Unternehmen ihn wertschätzt und für ihn da ist.