Kaum eine andere Branche hat im ersten Pandemiejahr so viele Mitarbeiter an andere Branchen verloren wie das Gastgewerbe und der Tourismus. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kehrten 2020 rund 216.000 Personen ihrem Beruf den Rücken. Im Jahresschnitt waren in der Branche rund 788.600 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wohin sie wechselten, lässt sich nicht so eindeutig beantworten, anders als die Fragen von Marlene Dietrich in ihrem berühmten Lied, auf das sich die Überschrift dieses Kommentars bezieht. 

Den ersten wichtigen Hinweis zu diesem Thema liefert die Pandemie. Mit der ersten Corona-Welle veränderte sich für viele Menschen auch der Arbeitsablauf. Der Zusammenbruch des Geschäfts vor allem in der Touristik, Gastronomie und Hotellerie, verursacht durch staatliche Verordnungen und Verbote, zwang sie zu drastischen Sparmaßnahmen. Zum Hauptrettungsanker entwickelte sich – neben staatlicher Finanzhilfen – die Kurzarbeit. Das bedeutete für viele Arbeitnehmer zunächst einmal Gehaltsverzicht. Denn nur wenige Unternehmen zahlten freiwillig die Differenz zwischen Kurzarbeitergeld und Gehalt. Eine zweite Maßnahme war die inzwischen weit verbreitete Einführung des Home-Office. Dieses Angebot traf allerdings zunächst auf einen digital rückständigen deutschen Arbeitsmarkt, dem zunächst das Know-how und die notwendigen Geräte fehlten. Doch nach und nach konnten sich immer mehr Arbeitnehmer mit dieser Form der Zusammenarbeit anfreunden. Die freiere Einteilung der Arbeit im Zusammenspiel mit dem privaten Tagesablauf zuhause schaffte eine Flexibilität, zu der allerdings Disziplin gehört, um den Ansprüchen des Arbeitgebers gerecht zu werden. Mit dem Beginn der Energiekrise steigerte sich die Attraktivität des Home-Office zusätzlich bei den Arbeitnehmern, die täglich lange Fahrstecken zwischen Wohnort und Arbeitsplatz zurücklegen müssen. 

Die Reaktion vieler Kunden und Veranstalter auf die Pandemie sorgte bei der gesamten Branche für weiteren erheblichen Druck. Da sehr viele bereits bezahlte Leistungen nicht erfüllt werden konnten, entstand eine Welle von Schadenersatzansprüchen, die von sehr vielen Unternehmen, an der Spitze Fluggesellschaften, aber auch Reedereien und Veranstalter zunächst einfach „auf die lange Bank“ geschoben wurden. Die Wut vieler Kunden entlud sich nicht nur bei den Verursachern, sondern auch bei den Vermittlern der Leistungen, vor allem den Reisebüros. Das führte zu einem enormen Druck auf die Mitarbeiter, die ihren oft langjährigen Kunden nur schwer verständlich machen konnten, dass sie in diesem Fall der falsche Ansprechpartner seien. Die aber, die es eigentlich betraf, sperrten Kommunikationswege, stellten beispielsweise Telefone einfach ab und bearbeiteten weder Briefe und E-Mails noch Anfragen ihres Vertriebs. Die Folgen waren neben wochenlangen Verzögerungen bei der Bearbeitung der Kundenansprüche, zunächst ein enormer Druck auf die Mitarbeiter der Branche. Der Ansturm musste schlussendlich erledigt werden, die Bearbeitung allerdings brachte den Unternehmen keine finanziellen Vorteile. 

Diese Mehrbelastung, oft verbunden mit einer coronabedingten geschrumpften Mannschaft, sorgte bei vielen Mitarbeitern kaum für Motivationsschübe. Wenn dann auch noch finanzielle Einbußen hinzukommen und der Arbeitsplatz längerfristig nicht unbedingt sicher zu sein scheint, orientierten sich manche Touristiker neu. Viele entdeckten Arbeitsplätze, bei denen sie durchaus auch ihr Fachwissen einbringen können und in denen sie außerdem nicht nur mehr Geld verdienen, sondern auch Aufstiegsmöglichkeiten vorfinden, die im Tourismus insbesondere für Frauen nur schwer zu finden sind. Angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlich schwierigen Lage, tritt das touristische Arbeitsumfeld als zusätzlicher Gehaltsanreiz deutlich in den Hintergrund. 

Wohin diese Arbeitskräfte abgewandert sind, lässt sich statistisch schwer nachvollziehen. Studien gehen von diversen Dienstleistungsunternehmen aus, die nicht nur höhere Gehälter zahlen, sondern auch mit flexibleren Arbeitszeiten werben. Das kommt den Wünschen vieler vor allem junger Arbeitskräfte entgegen, die zunehmend Wert auf ein intensiveres Privatleben legen als sich nur intensiv um ihre Karriere zu kümmern. Die Teilnahme an gesellschaftlichen sozialen Engagements gewinnt stattdessen an Bedeutung, bei denen Umwelt- und Klimafragen sowie ein zunehmendes soziales Bewusstsein mehr Zeit eingeräumt wird. Deutlich wird dies an der großen Bereitschaft, sich dafür sogar freiwillig ein Jahr zu engagieren. 

Arbeitgeber, die jetzt verzweifelt nach neuen Mitarbeitern suchen, die im Idealfall auch fachliche Qualitäten mitbringen, müssen sich an die Anforderungen dieser neuen Arbeitswelt anpassen. Der Wunsch nach einem Home-Office-Job heißt nicht, dass der Arbeitnehmer auf den persönlichen Kontakt zu seinen Kollegen verzichten möchte. Die Lösung ist in der Regel eine Kombination, die beide Parteien zufrieden stellt. Wer dazu attraktive Modelle anbietet, findet sicherlich leichter zufriedene Mitarbeiter. 

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In den kommenden Wochen wird der Kampf gegen das Corona-Virus in seine entscheidende Phase treten. Im zweiten und dritten  Quartal 2021 stehen genügend Impfstoffe zu Verfügung, um eine immer größere Zahl an Menschen zu immunisieren. Damit ist eine wichtige Voraussetzung zur Wiederaufnahme des Tourismus im Sommer/Herbst 2021 geschaffen. Anders als 2020 sind hochwirksame Impfstoffe verschiedener Anbieter zugelassen, weitere werden noch folgen. Besonders gefährdeten Menschen kann so in den kommenden Wochen ein Impfangebot gemacht werden und damit sinkt auch der Druck auf die Gesundheitssysteme.

Außerdem stehen in ausreichender Zahl verlässliche und preisgünstige Schnelltests zur Verfügung. Ihr Einsatz kann sofort umgesetzt werden. Damit steigen die Aussichten, schon in diesem Sommer Reisefreiheiten wieder zu ermöglichen. In absehbarer Zeit wird es außerdem Medikamente geben, die das Virus bekämpfen. 

Nach den aktuellen Berichten sind Start und Umsetzung der Impfkampagne in Israel und Großbritannien besonders erfolgreich. Nach derzeitiger Planung sollen alle Briten über 50 Jahre bis Anfang Mai ein Impfangebot erhalten. Bis Mitte Juli sollen dann 75 Prozent der Bevölkerung geimpft sein, so dass Herdenimmunität erreicht wird. Das wird unmittelbare Auswirkungen auf das Buchungs- und Reiseverhalten der Briten für den Sommer 2021 haben. Der TUI-Konzern meldete bereits enorm hohe Buchungszahlen. 

In der Übergangszeit können – insbesondere im Tourismus – Schnelltests eine wichtige Rolle spielen. Mit einheitlichen und verlässlichen Regelungen könnten Quarantäneverpflichtungen und geschlossene Grenzen überflüssig werden. Schnelltests statt Quarantäne ist daher auch eine Forderung der Reiseindustrie. Dabei spielt die Pauschalreise in der Pandemie weiterhin eine wichtige Rolle. Sie garantiert über alle Stufen des Reiseerlebnisses hohe Hygiene- und Sicherheitsstandards und ermöglicht so verantwortungsvolles Reisen auch in Zeiten der Pandemie.

Die Verpflichtung, oft eine Maske zu tragen, dürfte nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Zwar wird es noch eine Zeit lang notwendig bleiben, das Tragen einer Maske vorzuschreiben, aber besonders außerhalb geschlossener Räume dürfte das bald überflüssig werden. Das gilt auch für die Abstandspflicht. Großveranstaltungen lassen sich nicht mit 1,5 Meter Abstand durchführen. Warum auch, wenn die Teilnehmer geimpft sind oder einen aktuellen Schnelltest vorweisen.

Die Ablehnung der deutschen Bundeskanzlerin, geimpften Menschen Privilegien einzuräumen, ist ethisch zwar zu verstehen, dürfte aber nicht praxistauglich sein. Immer mehr Kreuzfahrtunternehmen überlegen beispielsweise, an Bord ihrer Schiffe nur noch geimpftes Personal einzustellen und von den Passagieren entweder einen Impfschein oder einen aktuellen Schnelltest zu fordern, der auch noch beim Check-in vorgenommen werden kann. Trotzdem werden an Bord sicherlich einige Hygienevorschriften überleben. Die Reinigung der Luft in der Klimaanlage gehört dazu, das Aufstellen von Waschbecken und/oder Handreinigungsgeräten vor allen öffentlichen Räumen und auch eine Veränderung des Buffetangebots dürften Standard werden. Zumindest wird ein Teil des Angebots vom Buffet auf die Tische verlagert und damit der Andrang am Buffet vermindert. Auch für Corona-Fälle, die erst während einer Reise auftreten, muss künftig eine Quarantäne-Station permanent verfügbar sein.

So erfreulich auch der Erfolg der Pandemiebekämpfung in manchen Ländern ist, eine globale Eindämmung der Virusverbreitung wird es in diesem Jahr nicht geben. Betroffen ist davon vor allem die Hochseefahrt, die die Erlaubnis vieler Länder benötigt, in denen sie anlegen möchte und Landausflüge plant. Daher wird es unverändert viele Angebote geben, in denen den Passagieren lediglich „Besuche in einer Blase“ möglich sind – also Abschottung der Gruppe von Außenkontakten bei einer Besichtigung.

Was bei allen Sicherheitsvorkehrungen seitens der Veranstalter zumindest kurzfristig unsicher bleibt, ist die Reaktion der Kunden. Vertrauen in die Vorbereitungen der Anbieter und Akzeptanz der vorgesehenen Maßnahmen ist das eine, die Verunsicherung weiter Bevölkerungskreise das andere. Der Wunsch zu reisen, einen Urlaub auf dem Wasser zu verbringen und dabei auch Land und Leute zu besuchen und nicht einfach eine „Blaue Reise“ ohne Kontakt zu einem Zielgebiet aufzunehmen, ist sicherlich stark, wie die Vorbuchungen zeigen. Allerdings stecken in diesen Zahlen auch viele Anreize wie Rabatte, An-Bord-Guthaben oder andere Vergünstigungen als Anreiz, obwohl es bei der Überschuldung der Unternehmen eigentlich andersherum sein müsste. Über Preiserhöhungen dürfte momentan allerdings keiner nachdenken. Damit liegt der Schwerpunkt eher auf Kostenreduzierungen an Bord und an Land. Das Virus hat gezeigt, wo sich Einsparmöglichkeiten ergeben. Sie müssen nun konsequent umgesetzt werden.

Ein ernstes Problem in den kommenden Jahren dürfte für viele Unternehmen und Selbstständige und vor allem auch den Staat, die Länder und Kommunen die Schuldenlast sein, die die Pandemie hinterlässt. Wer gegenwärtig noch dabei ist, nach weiteren Quellen notwendiger Liquidität zu suchen, darf nicht vergessen, auch in die Zukunft zu schauen: Wer soll das bezahlen? 

In der Kreuzfahrtindustrie gibt es bei solchen Überlegungen mehrere Ansätze. Zurzeit grübeln die Planer bei den Produzenten darüber nach, mit welchen Preisen sie nach den allmählich auslaufenden Pandemieeinflüssen wieder mit voller Kapazität auf den Markt zurückkehren können. Michael Thamm, CEO der Costa-Gruppe, zu der auch AIDA gehört, nannte kürzlich 15 bis 20 Prozent als die Preiserhöhungsquote, die seine Unternehmen brauchen, um neben dem Schuldenabbau auch noch eine vertretbare Rendite zu erzielen.

Dabei ist jedoch der Passagier ein großer Unbekannter. Wird er vor allem im Volumenmarkt Preiserhöhungen akzeptieren? Es wird wohl sehr schwierig sein und bedarf einer Reihe von „Preisfindungsversuchen“, um eine optimale Bandbreite zu erkennen. Außerdem wird sich möglicherweise die Einnahmestruktur anpassen müssen. An-Bord-Umsätze wie Landausflüge, Unterhaltung und Getränke dürften an Bedeutung zunehmen und man könnte auch darüber nachdenken, ob nicht eine höhere Servicegebühr den Gesamtumsatz stärken könnte.

Aber die Reedereien müssen nicht nur auf ihre Umsätze, sondern auch auf sehr genau auf ihre Ausgaben achten. Das gilt insbesondere für die Provisionen, die sie dem Vertrieb zahlen müssen. Denn der wird mit den bisherigen Quoten und Umsatzstufen kaum in der Lage sein, Renditen und Schuldenabbau zu stemmen. Die von vielen Reedereien inzwischen angehobene Mindestprovision in Höhe von zehn Prozent ist das Mindeste, was der Vertrieb verlangt. Er wird auch darauf achten, ob vor allem im Volumenbereich Angebote von weniger als 600 oder sogar bis unter 500 Euro für eine Woche Mittelmeer mit An- und Abreise noch sinnvoll bearbeitet werden können.

Diese Überlegung stellten kürzlich auch Kuoni und Hotelplan in der Schweiz an. „Wir haben uns schon vor der Pandemie überlegt, ob wir überhaupt noch Angebote von Costa, AIDA, MSC Cruises oder TUI Cruises bearbeiten und haben uns dagegen entschieden“, sagt Cornelia Gemperle, Chefin von Kuoni Cruises in Zürich. Das bedeutet, Reisebüros, die bisher Buchungen für die vier Reedereien über Kuoni abwickelten, müssen das künftig direkt mit den Reedereien erledigen. Das gilt für den Fremdvertrieb, auf den rund 60 Prozent der Buchungen entfallen, wie für die eigenen Filialen. Kein Wunder, denn bei einer Provision in Höhe von 15 bis 16 Prozent muss Kuoni zehn Prozent an die Agenturen abgeben, es verbleibt eine viel zu niedrige Marge. „Wenn dann noch Produkte hinzukommen, die kompliziert sind sowie Einflüsse der Yield-Abteilung der Reedereien, lohnt es sich für uns nicht mehr“, so Gemperle. Beratung und Know-how-Transfer muss daher in Zukunft verstärkt der Außendienst der Reedereien übernehmen.

Ähnlich argumentiert Oliver Hiltpold, Direktor Touroperating Hotelplan & Migros Reisen. Als Ausgleich will Gemperle künftig höherwertige Produkte fördern und die Angebotspalette sogar mit kleineren Schiffen – wie Yachten – und andere Nischenprodukte ausbauen. Hinzu kommt auch bei Kuoni, dass der Stellenabbau des Konzerns auch die Cruise-Abteilung trifft. Er dürfte durch die Buchungsreduzierung leichter zu bewältigen sein. Aus Sicht ausländischer Anbieter ist das Herunterfahren der Buchungsbearbeitung und die Einstellung der Reisebürounterstützung deutlich leichter in der Schweiz als in anderen europäischen Märkten durchzusetzen, da dort gehobene Ansprüche und die damit verbundenen höheren Preise aufgrund des höheren Durchschnittseinkommens auch durchsetzbar sind. Aus Sicht der betroffenen Reedereien dürfte sich jedoch wenig ändern. Lediglich auf den Außendienst kommt mehr Beratungsbedarf zu. 

Ein ganz anderer Aspekt ist die Zunahme der Direktbuchungen. Die dürften in ganz Europa zunehmen. Aber richtig Fahrt aufnehmen werden diese Direktverkäufe wohl erst, wenn die Buchungen einfacher werden. Davon ist die Kreuzfahrtindustrie jedoch noch weit entfernt und gilt unverändert als erklärungsbedürftig. Wer aber Volumenschiffe füllen will, braucht das „Angebot von der Stange“, das es bei vielen Pauschalreisen, dem wichtigsten Angebot, bereits gibt. Sicherheit ist nach den Erfahrungen, die viele Reisende in diesem Jahr bei den oft skandalösen Zahlungsabwicklungen und bei den Schutzmaßnahmen gemacht haben, zu einem wichtigen Kriterium geworden.

Das Corona-Virus bringt nicht nur schon vor Ausbruch der Krise schlecht finanzierte Unternehmen in Schwierigkeiten. Mit zunehmender Dauer der Pandemie schwinden auch die Liquiditätsreserven solide aufgestellter Firmen. Am schlimmsten ist die Perspektivlosigkeit, die alle belastbaren Planungen unterbindet. Im Tourismus führt das besonders im Vertrieb zu anschwellenden  Insolvenzzahlen. Fast täglich müssen jetzt Reisebüros, die auch mit Hilfe von Darlehen gehofft haben, die Krise zu überwinden, erkennen, dass die sich häufenden Schuldenlasten nicht mehr zu tragen sind. Denn die zarten Wiederbelebungen im Tourismus werden durch die wellenartige Bewegung des Corona-Virus, die den Reiseverkehr immer wieder unvorhersehbar zum Erliegen bringt, unplanbar. Es reichen schon einige Corona-Fälle an Bord eines Schiffes oder unvorhersehbar schnell steigende Erkrankungsfälle aus, um den Start einer Reise zu verhindern oder ihren Verlauf zu verändern.

Betroffen davon sind nicht nur Veranstalter, sondern mit voller Wucht auch die Reisebüros. Wer hätte vor einigen Monaten geglaubt, dass das Virus beispielsweise so renommierte und alteingesessene Reisebüroketten wie Fahrenkrog in Kiel oder Papageno in Österreich in die Knie zwingen würde? Es werden vermutlich noch sehr viele ähnlich aufgestellte Agenturen folgen. Noch sind es vorwiegend die sehr kleinen Betriebe, die trotz harter Gegenwehr – oft unter Einsatz zeitaufwendiger, unbezahlter Mehrarbeit – diesen Weg gehen müssen. Aber der Druck erreicht inzwischen auch Kettenmitglieder.

Dabei ist ein Phänomen zu beobachten, das sich mit der weit entwickelten Wohlstandsgesellschaft und dem kapitalistischen Wirtschaftssystem erklärt. Erstaunlich viele Mittelständler sind nämlich nicht bereit, die in den vergangenen Boom-Jahren erzielten privaten Gewinne jetzt in der Not anzugreifen. Das macht für sie nur Sinn, wenn ein zeitlich absehbares Ende der Krise feststeht, das Geld also nicht von vornherein verloren ist. Gutes Geld dem schlechten nachwerfen nennt das der Volksmund. Selbst die Tatsache, dass viele Hausbanken sich weigern, Darlehen zu gewähren, die zu 90 Prozent durch staatliche Bürgschaften abgesichert sind, deutet auf eine solche fehlende Bereitschaft hin. Die Geldinstitute kennen ihre Kunden sowie deren finanzielle Situation und ihre Einstellung zur Wahrung der eigenen Pfründe sehr genau und auch deren geschäftliche Schuldenlast, die, wenn überhaupt planbar, erst nach vielen Überschussjahren getilgt werden kann. Darauf zielen auch die strengen Bedingungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die schon vor der Krise verschuldete Unternehmen sowie Firmen, die keine nachhaltige Liquiditätsvorsorge vorweisen können, nicht unterstützt. Diese Unsicherheit vergrößert sich übrigens noch durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.

Für zehntausende von Mitarbeitern, die gegenwärtig noch in der vermutlich auf zwei Jahre verlängerten Kurzarbeit stecken, dürfte allerdings allein die Vermutung, ihr Arbeitgeber pausiere mit Hilfe eines gut gefüllten privaten Ruhekissens, das durch die Insolvenz ihres Unternehmens nicht angegriffen wird, kein Trost sein. Für sie wäre ihr täglicher Kampf sicherlich etwas leichter, wenn auch bei ihren Arbeitgebern die Einstellung von Phoenix Reisen eine breitere Anerkennung finden würde: „Wir haben alle unsere Mitarbeiter an Bord weitgehend auf unsere Kosten in ihre Heimatländer zurückbefördert und werden sie auch nicht für Reisen ins Blaue, die nicht nachhaltig planbar sind, aus Verantwortung ihnen gegenüber zurückholen.“ In einer Demokratie genießt das Individuum nicht nur ultimative Macht, sondern trägt auch ultimative Verantwortung. Ein Solidaritätsgedanke, der in den Industrieländern leider etwas in Vergessenheit geraten ist.

Eine weitere Folge der Krise in den nächsten Monaten wird eine deutliche Konzentration in der touristischen Vertriebslandschaft sein. Einige Reisebüros werden versuchen, sich unter das Dach einer größeren Gruppe zu flüchten. Daraus ergibt sich eine veränderte Marktstruktur. Die Veranstalter werden es mit größeren Partnern zu tun haben, die selbstbewusster Forderungen stellen werden. Verlieren dürften die vielen kleineren inhabergeführten Agenturen.

Noch steigt weltweit die Zahl der Neuerkrankungen durch das Corona-Virus. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Zuversicht, dass bereits im ersten Halbjahr 2021 mehrere Impfstoffe zur Verfügung stehen werden. Veranstalter und Reedereien in der Kreuzfahrtbranche stehen nun unter doppeltem Druck. Einerseits müssen noch monatelang Reisen unter Corona-Bedingungen kreiert und verkauft werden, andererseits heißt es schon jetzt, sich auf eine „Normalisierung“ der Abläufe an Land und an Bord vorzubereiten. Das betrifft sowohl die Einstimmung der eigenen Mitarbeiter wie auch der Kunden und hier vor allem der Bestandskunden. 

Die Mitarbeiter haben in den vergangenen Monaten sehr unterschiedliche Erfahrungen in ihren Unternehmen gemacht. An erster Stelle standen die langen arbeitsfreien Tage, in denen sie in Kurzarbeit geschickt wurden. Wo es möglich und auch dringend notwendig war, wurden Home-Offices eingerichtet. Das bereitete vielen Mitarbeitern erhebliche Probleme. Und das nicht nur technischer Art, sondern auch im Verhältnis zum familiären Umfeld. So schön es auch anfangs gewesen sein mag, intensiver familiäre Nähe zu erfahren, Studien weisen auf eine zunehmende Gereiztheit und Konflikte hin. Für das Management eines Unternehmens bedeutet das eine große Verantwortung. Auch wenn die Mitarbeiter die Maßnahmen zur Einsparung von Kosten zunächst verstehen und akzeptieren, brauchen viele von ihnen die Fürsorge und Betreuung durch ihr Unternehmen. Daran sind leider sehr viele Manager kläglich gescheitert. Nur wenige haben sich die Zeit genommen, die Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen zu informieren, ihnen Dank für ihr Engagement auszusprechen oder ihnen individuelle Hilfe im Einzelfall anzubieten. So etwas ist nicht wie sonst üblich mit einer Weihnachtsfeier oder einem Betriebsfest zu erledigen. 

Mit dem Auslaufen der Pandemie kommen aber auch auf die Kreuzfahrten neue Herausforderungen zu. Auch wenn die „Floskel“, es werde wenig von dem bleiben, wie es einmal war, recht undifferenziert gebraucht wird, kommt es zu einer punktuell veränderten Arbeitswelt. Dazu zählt insbesondere der deutliche Fortschritt im digitalen Bereich. Es dürfte mehr Video-Konferenzen geben, die Arbeitszeiten werden auch durch die Schaffung von mehr Home-Offices flexibler und an Bord dürften einige der strengen Gesundheitsvorschriften beibehalten werden. Darauf müssen die Mitarbeiter schon jetzt sukzessive vorbereitet werden. Hinzu kommt, die Veranstalter und Reedereien haben es künftig mit deutlich weniger, aber dafür umso selbstbewussteren Vertriebspartnern zu tun. Wer glaubt, er könne es noch mit von den Reisebüros oder Online-Vertrieben als wenig „fair“ empfundenen Bedingungen schaffen, sie zum Partner zu machen, dürfte sich täuschen. Erste neue Kooperationsabkommen zeigen jetzt schon an, wohin die Reise geht. Auch wenn zunächst zu erwarten ist, dass in den ersten Monaten der Nach-Corona-Zeit wieder eine kräftige Nachfrage nach Reisen vorhanden sein wird, darf man sich nicht täuschen: Die hohen Umbuchungszahlen und der Wunsch vieler Bestandskunden, endlich wieder einmal eine Seereise unter normalen Bedingungen antreten zu können, trifft auf eine spürbare Buchungszurückhaltung im Neugeschäft. Außerdem dürfte der gegenwärtige Trend zum sehr kurzfristigen Buchen zunächst anhalten. Gewinner dürfte dabei zunächst die Pauschalreise sein, genau das Segment, von dem sich die Kreuzfahrt eigentlich hohe Zuwachsraten durch Abwerbung verspricht. 

Die Stimmungslage unter den Kunden, Grundlage einer erfolgreichen Marketingstrategie, gibt eine neue Studie wider. Dort heißt es: In der Corona-Krise zeige sich keine Spur von der sprichwörtlichen „German Angst“. Im Gegenteil: Die Ergebnisse einer R+V-Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ belegen, dass in dieser Ausnahmesituation viele Sorgen in den Hintergrund treten. Im Fokus stehen 2020 die wirtschaftlichen Themen, aber „die Deutschen reagieren auf die Pandemie keineswegs panisch. Das verdeutlicht der Angstindex – der Durchschnitt aller abgefragten Ängste“, sagt Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters. „Viele Sorgen gehen zurück. Deshalb sinkt der Index aller Ängste von 39 auf 37 Prozent und erreicht damit den niedrigsten Wert seit Beginn der Umfrage im Jahr 1992.“ Zum 29. Mal hat das Infocenter der R+V Versicherung rund 2.400 Menschen nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit befragt. Erstaunlich gering ist in diesem von Corona dominierten Jahr die Angst vor einer schweren Erkrankung. Sie liegt bei 32 Prozent (Vorjahr: 35 Prozent). Aber gilt das auch für COVID-19? Das R+V-Infocenter hat nachgefragt. „Ebenfalls nur etwa jeder dritte Befragte fürchtet sich davor, dass er selbst oder die Menschen in seinem Umfeld sich mit dem Coronavirus infizieren könnten“, erklärt Römstedt. Die Gelassenheit zeigt sich auch bei einer weiteren Sonderfrage zu Corona: Nicht mehr als 42 Prozent der Befragten befürchten, dass es durch die Globalisierung in Zukunft häufiger zu Pandemien kommen könnte. „Angesichts der rasanten weltweiten Ausbreitung des Virus‘ hätten wir hier höhere Werte erwartet. Nach unseren Erkenntnissen haben die Menschen aber deutlich mehr Angst davor, dass das Virus ihren Wohlstand bedroht als ihre Gesundheit“, sagt Römstedt.

Einen massiven Einfluss hat die Corona-Krise auf die wirtschaftlichen Ängste – und wirbelt damit auch die Rangliste durcheinander. Erstmals seit sechs Jahren ist die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten wieder unter den sieben größten Ängsten. Nach einem Anstieg um acht Prozentpunkte klettert sie von Platz zehn auf Platz zwei und liegt bei 51 Prozent. Andere Wirtschafts- und Finanzängste kommen hinzu. So befürchtet fast jeder zweite Befragte, dass die deutschen Steuerzahler für überschuldete EU-Staaten zur Kasse gebeten werden (49 Prozent, Platz drei; Vorjahr: 44 Prozent, Platz acht). In die Höhe geschossen ist vor allem die Angst vor einem Konjunktureinbruch: Belegte sie im vergangenen Jahr mit 35 Prozent noch Platz 14, springt sie jetzt nach einem Anstieg um 13 Prozentpunkte an die vierte Stelle der größten Sorgen. Arbeitslosigkeit war in den zurückliegenden Jahren des Wachstums eine der geringsten Sorgen. Doch 2020 rütteln Anzeichen einer bevorstehenden Insolvenzwelle viele Deutsche auf. Weit mehr Befragte als 2019 befürchten, dass die Arbeitslosenzahlen in Deutschland steigen

(40 Prozent, plus zwölf Prozentpunkte). Eine realistische Einschätzung, so Professor Schmidt: „Die Befragten wissen, dass in Deutschland – anders als in vielen anderen Staaten – nur die Kurzarbeit einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosenzahlen verhindert hat.“ Auffällig: Den eigenen Job zu verlieren, befürchtet wie im Vorjahr lediglich jeder vierte Berufstätige. „Diese Spreizung überrascht auf den ersten Blick. Aber das Rätsel lässt sich lösen“, erläutert Schmidt. „Von einer gesamtwirtschaftlich zunehmenden Arbeitslosenquote sind nicht alle Befragten gleichermaßen betroffen. Entlassungen treffen derzeit überwiegend Arbeitnehmer, die in durch die Corona-Krise stark angeschlagenen Branchen arbeiten, wie beispielsweise bei Reiseveranstaltern, in Kulturbetrieben oder in der Gastronomie.“

Die innenpolitischen Sorgen – in den vergangenen Jahren stets auf den Spitzenplätzen – haben durchweg an Bedeutung verloren. Am stärksten gesunken sind die Sorgen rund um die Zuwanderung: Nach einem Rückgang von mehr als zehn Prozentpunkten sind sie auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren. 2020 befürchten jeweils 43 Prozent der Befragten, dass es durch den weiteren Zuzug von Ausländern zu Spannungen zwischen Deutschen und hier lebenden Ausländern kommt (Vorjahr: 55 Prozent), und dass der Staat durch die große Zahl der Geflüchteten überfordert ist (Vorjahr: 56 Prozent). Unter die 40-Prozent-Marke gerutscht sind die Ängste vor politischem Extremismus (37 Prozent) und Terroranschlägen (35 Prozent). Unverändert präsent bleiben die Sorgen rund um die Umwelt und das Klima. 44 Prozent der Befragten haben Angst davor, dass Naturkatastrophen zunehmen und Deutschland immer häufiger von Wetterextremen wie Dürre, Hitzewellen oder Starkregen betroffen sein wird. Da politische Themen in der Corona-Krise an Bedeutung verloren haben, klettert diese Angst von Platz 13 im Vorjahr jetzt auf Rang fünf. Fast genauso viele Menschen fürchten sich davor, dass Nahrungsmittel häufiger mit Schadstoffen belastet sind (42 Prozent, Rang acht). Angesichts des Klima-Themas in Politik und Gesellschaft ein unerwartet niedriger Wert: Dass der Klimawandel dramatische Folgen für die Menschheit hat, befürchten nicht mehr als 40 Prozent (Rang elf).

Der so ermittelten differenzierten „German Angst“ folgt auch die Kalkulation bei den Kreuzfahrtproduzenten. Eigentlich müssten sie – angesichts ihrer Überschuldung – in den kommenden Jahren mit einem höheren Preisniveau reagieren. Das wird sehr schwierig. Denn angesichts der Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der notwendigen Wiederaufstockung finanzieller Reserven war auch der Wiedereinstieg aus Sicht vieler Passagiere keine Meisterleistung der Hochseereedereien. Statt einer gründlichen Vorbereitung wurden Reisen ausgeschrieben, die dann – teilweise sogar mehrfach – abgesagt wurden oder den schnell wechselnden Reisebeschränkungen zum Opfer fielen. Erst allmählich lernen einige Unternehmen aus ihren Fehlern und müssen nun versuchen, das Vertrauen ihrer Kunden zurückzugewinnen. Dazu sollte jede Gelegenheit genutzt werden. Mitarbeiter, Partner und Kunden brauchen „Mutmacher“. Sie haben es verdient.

„Versuchen Sie, elastisch im Gehirn zu bleiben“, wünschte der polnische Stadtführer in Stettin seiner deutschen Besuchergruppe beim Abschied. Seinem Tonfall nach konnte man durchaus davon ausgehen, dass er einige Fragen seiner Gäste während des vergangenen Rundganges als Zumutung empfunden haben muss und deren Wertung vorsichtig mit seinem Wunsch umschrieb.

Fragen zwischen naiv, dämlich und sachbezogen sind allerdings immer von Besuchergruppen zu erwarten. Das bekommen in der Kreuzfahrt insbesondere die Mitarbeiter/innen der touristischen Abteilung bei Ausflügen zu spüren. Da die Mehrzahl der Passagiere getreu dem Motto: „Reise vor dem Sterben, sonst reisen deine Erben“ bereits ein gewisses Alter erreicht haben, spielt bei Auslandsreisen auch eine gewisse Unsicherheit mit. Fremde Sprachen, fremde Sitten, fremdes Essen, ungenaue Geschichtskenntnisse (wie im oben erwähnten Fall über Polen) werden oft durch eine Gruppenzugehörigkeit kompensiert, in der man sich sicherer fühlt.

Daher ist es auch so wichtig, eine Bezugsperson in Form einer von der Reederei gestellten touristischen Begleitperson mit jeder Gruppe auf einen Ausflug zu schicken. Die überlässt dann zwar erleichtert der jeweiligen lokalen Reiseleitung das Mikrofon, bleibt aber die Bezugsperson für die Gruppe.

Die Landgänge oder Entdeckungsreisen sollten eigentlich nicht nur das Kennenlernen neuer Landstriche oder Zielorte vermitteln, sondern auch dazu beitragen, das „Fremde“ mit anderen Augen zu sehen. Der Sinn des Reisens bestehe darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit anzugleichen, und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen, wie sie sind. Der Tourist zerstört, was er erwartet, indem er es findet.

Diese philosophische Interpretation geht natürlich völlig verloren, wenn Kreuzfahrten nur noch aus Reisen ohne Landgang bestehen, wie sie das Corona-Virus zurzeit hin und wieder erzwingt, wobei die Mitreise einer Reihe von Lektoren, die an Bord erklären, was am Horizont zu sehen ist, den Landgang kaum ersetzen kann. Drei Stunden Guido Knopp bei Youtube sind da wirkungsvoller. Die Berührung mit dem „Fremden“, die Erfahrung, dass es so schlimm ja doch nicht ist, bleibt dabei aus.

In den USA probieren die Kreuzfahrtreedereien ein neues Kreuzfahrtmodell aus. Die Schiffe werden immer größer und damit auch die Vielfalt der Angebote an Bord. Diese Schiffe ziehen ein jüngeres Publikum an, das sich weniger weiterbilden, sondern einfach nur „Urlaub“ machen, Spaß haben möchte. Diese Angebotsform wurde schon im vergangenen Jahr vor allem in den USA konsequent ausgebaut mit einer Reihe von Testfahrten.

Unter Bezeichnungen wie beispielsweise „Perfect Day“ (Royal Caribbean) wurden Kurzreisen aufgelegt, die nur noch eine reedereieigene Insel und – je nach Dauer – höchstens noch eine oder zwei weitere Stationen im Programm haben. Damit erreichte der Vertrieb den Kern einer neuen Nachfrage, die nur nach Zerstreuung, Amüsement und intensiver Kommunikation sucht und dafür ein Angebot an möglichst breit gefächerten Vergnügungs- und Shoppingmöglichkeiten braucht. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Spa-Bereich sowie alle Arten sportlicher Betätigung und viel Musik am Abend zum Feiern, Tanzen oder auch nur zum Zuhören. Aufwendige Shows sind dabei kein Renner, Comedy reicht.

Da der Aufenthalt auf der eigenen Insel sich über eine längere Zeit erstreckt als die sonst üblichen Kurzaufenthalte während einer Kreuzfahrt, muss dort ebenfalls für viel Abwechslung gesorgt werden. Der Vorteil für die Reederei: Alle Einnahmen fallen unter die Rubrik „An-Bord-Umsätze“, die damit zum dominierenden Standbein des Umsatzes und der Rendite bei diesen Fahrten werden.

Die ersten Versuche, Kreuzfahrten von Landgängen zumindest teilweise abzukoppeln, sind sehr positiv verlaufen. Die Reedereien berichten von vielen Neukunden, vorwiegend jugendliche Neueinsteiger, die noch nie eine Kreuzfahrt gemacht haben. Im Ansatz ist das Angebot mit der Anziehungskraft des „Ballermanns“ auf Mallorca zu vergleichen. Mit diesem Experiment beweist die Kreuzfahrt, dass sie durchaus in der Lage ist, ihr Gesamtangebot noch weiter als bisher angenommen auffächern zu können. Sollte sich dieser Teilmarkt erfolgreich durchsetzen, sind „Partyschiffe“ mit mehr als den bisher 6.500 Passagieren an Bord durchaus denkbar. Auch im Zeichen der Pandemie dürften sich Hygienekonzepte hier leichter durchsetzen als in der sonst üblichen Angebotsform.

Die internationale Kreuzfahrtindustrie beschäftigt mehrere hunderttausend Mitarbeiter an Bord ihrer Schiffe. Von ihnen stammt die überwiegende Zahl aus Entwicklungsländern, vorzugsweise von den Philippinen, wo es eine Reihe von spezialisierten Ausbildungsunternehmen gibt, die auch als Arbeitsvermittler tätig sind. Die Beliebtheit der Philippinos oder Philippina beruht allerdings nicht nur auf ihrem freundlichen Auftreten, guter Ausbildung und Arbeitseinsatz, sondern auch auf ihrer geringen Bezahlung. Das nehmen viele Kritiker zum Anlass, von Ausbeutung an Bord zugunsten einer Gewinnmaximierung zu sprechen, während andere darauf verweisen, dass selbst das niedrige Lohnniveau noch über dem liege, das die Mitarbeiter in ihren Heimatländern erzielen können. Beide Argumente sind zutreffend. Tatsache  ist, dass jährlich viele Millionen US-Dollar, die von den an Bord beschäftigten Mitarbeitern/innen in ihre Heimat überwiesen werden, tausenden von Familien einen Lebensstandard erlauben, den sie ohne die Arbeit an Bord nie erreichen können. Ob das die niedrige Bezahlung rechtfertigt, bezweifeln allerdings selbst in einem kapitalistischen System viele.

In Folge der Pandemie sitzen inzwischen jedoch mehr als Hundertausend Philippinos und weitere Crewmitglieder in anderen Entwicklungsländern arbeitslos in ihrer Heimat und müssen sich dort mühsam weitgehend ohne Hilfe des Staates über Wasser halten. Kurzarbeit oder Staatszuschüsse sind dort unbekannt. Hinzu kommt nun noch ein ungewöhnlich hoher Geburtenboom, den nicht nur die Philippinen, sondern auch andere Entwicklungsländer – vor allem Indonesien – zurzeit registrieren. Obwohl viele Familien genau wissen, dass sie eigentlich keine weiteren Kinder ernähren können, gibt es kaum Anstrengungen, sich dagegen zu wehren. Verhütungsmittel kosten Geld, das nicht vorhanden ist. Außerdem sind Antibabypillen und andere Verhütungsmittel knapp und Kondome in Asien sehr unbeliebt. Das beschleunigt nicht nur den Prozess der Verarmung, sondern behindert auch die Entwicklung des Bildungsniveaus. Ein beliebter Spruch in der Kreuzfahrtindustrie: „Der Philippino schließt einen Neun-Monatsvertrag, fährt dann nach Hause, um dort einen Blick auf sein jüngsten Kind zu werfen, produziert schnell ein weiteres und fährt wieder zu seinem Schiff, um weiter das notwendige Geld für die Familie und seinen Traum von einer eigenen beruflich Existenz in seiner Heimat zu  verdienen.“ Eine Pandemie ist bei einer solchen Vita nicht vorgesehen und nur schwer zu verkraften.

Vor allem bei den US-amerikanischen Reedereien wird die Problematik der beschäftigungslosen Mitarbeiter, die mit viel Mühe in ihre Heimatländer zurückgeführt wurden, mit zunehmender Sorge betrachtet. Einzelne Hilfsmaßnahmen wurden zwar gestartet, vor allem, um die Stammbesatzung nicht zu verlieren, aber von einer konzertierten Aktion beispielsweise durch den Reedereiverband CLIA ist nichts bekannt. Der noch zögerliche Neustart der weltweiten Hochseeflotte dürfte die Leidenszeit dieser Mitarbeiter bis weit in das nächste Jahr verlängern. Daran sollten die Passagiere auch einmal denken, wenn sie sich über die Höhe der Trinkgelder / Servicegebühren beschweren. Das Wohlfühl-Ambiente an Bord wird schließlich maßgeblich durch die Mitarbeiter geprägt.

 

Der Neustart der weltweiten Hochseeflotte verläuft mehr als zäh. Es sind nicht viele Schiffe, die es versuchen. Während Costa, Aida oder MSC Cruises längere Vorlaufzeiten einlegen mussten, starteten TUI Cruises und etwas später Hapag-Lloyd Cruises schneller. Auch einige ausländische Anbieter sind wieder aktiv – wie Ponant, CroisiEurope oder SeaDream. Abgesehen von Hurtigruten kam es bisher zu keiner Infektion mit dem Corona-Virus an Bord oder unter den Passagieren. Alle anderen Reedereien konnten den Ernstfall dank ihrer ausgeklügelten Hygienekonzepte, die sich nur in Nuancen unterscheiden, erfolgreich vermeiden. Dagegen müssen die Schiffe der US-Anbieter unverändert beschäftigungslos auf ihren jeweiligen Liegeplätzen verharren. Die US-Gesundheitsbehörde verlängerte die Auslaufsperre zunächst bis Ende Oktober 2020.

Der Einsatz der wenigen Kreuzfahrtschiffe in Europa erfolgt unter strengen Auflagen. Dazu gehört auch die Reduzierung der Kapazität, um Abstandsregeln einhalten zu können – auf im Schnitt 50 Prozent. Erreicht wird dieses Volumen aber eher selten. „Im Schnitt reicht es aber aus“, meint Michael Thamm, CEO der Costa-Group, „wenn wir zumindest 25 bis 30 Prozent der Kapazität auslasten.“ Er vergleicht diese Erlösquote dabei mit den Kosten eines unbeschäftigten Schiffs. Bei Vollkostenrechnung bleibt aber auch ein unter Corona-Bedingungen eingesetztes Schiff immer noch deutlich in roten Zahlen.

Da stellt sich die Frage, warum fahren die einzelnen Schiffe – und das auch noch unter schwierigen Bedingungen – ohne zumindest Break-even zu erreichen? Hinzu kommt: Die Reedereien muten ihren reisewilligen Passagieren, die es ohne eine Kreuzfahrt kaum aushalten können, auch noch viel zu. Absagen oder Veränderungen der Route sind an der Tagesordnung, Rückzahlungen des Reisepreises werden in die Länge gezogen oder mit Gutscheinen befriedigt. Viele Reisebüros müssen sich mit verärgerten Kunden auseinandersetzen, obwohl sie eigentlich nicht der zuständige Adressat sind. Die Folge: Es gibt kaum noch ein Neugeschäft und viele Stammkunden sind verärgert, andere zumindest verunsichert und warten zunächst einmal ab, wie sich die Rahmenbedingen weiter entwickeln.

Die Reedereien reagieren darauf bei ihren wenigen Angeboten oft mit blumigen Worthülsen, um vorsichtig auf die diversen Einschränkungen aufmerksam zu machen. Vorbeugend heißt es beispielsweise, man biete „Blaue Reisen“ oder „Endlich Meer“, aber konkrete Einzelheiten erfahren die Gäste erst kurz vor Reisebeginn. In der Flusskreuzfahrt hat sich der Begriff „Panoramafahrten“ herausgebildet. Statt unbeschwerter Landgänge werden die Passagiere nur in Gruppen in geschlossenen Bussen durch die Städte gefahren – aussteigen auch zum Fotografieren nicht erlaubt. Oder eine Stadt wird nur noch vom Wasser aus im Vorbeifahren präsentiert.

Passagiere, die diese oder ähnliche Einschränkungen akzeptieren, gehören zu den Kunden, deren Vertrauen die Reedereien erhalten wollen. Daher ist es auch nicht das vorrangige Ziel der jetzigen Reiseangebote, Verluste zu minimieren. Der Blick der Veranstalter geht vielmehr in die Zukunft, zu dem noch unbekannten Zeitpunkt, an dem ein Normalbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Alle Prognosen der Wissenschaft deuten auf Mitte 2021 hin. Bis dahin muss das größte Kapital der Reederei, die Bestandskunden in regelmäßigen Abständen betreut werden. Zu dem Instrumentarium gehören neben den einzelnen aktuellen Fahrten, mit denen die jeweilige Reederei vor allem Flagge zeigen und im Gespräch bleiben, persönlich gehaltene Rundschreiben, um die Kunden über die Marktentwicklung und Reedereiinterna zu informieren und auf künftige Fahrten einzustimmen sowie attraktive Sonderkonditionen für Abfahrten in 2021. Das alles dient einem Ziel. Der Bestandskunde muss spüren, dass „sein“ Unternehmen ihn wertschätzt und für ihn da ist.

Die Ferienzeit 2020 endet mit der heiß diskutierten Frage: „Ist der Preis des Reisens zu hoch?“ Da sich darauf mit Sicherheit keine einhellige Antwort finden wird – es sei denn, man hält es mit der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart, die meint, „Reisen sei nur etwas für Flüchtlinge“, richtet sich das Hauptaugenmerk der Reiseindustrie auf das Jahresende und die dann anstehende Frage: Welches Pandemie-gerechte Angebot hat längerfristig überhaupt eine Chance?

Für viele ist dieses Jahresende genau der Zeitpunkt, der in dem Film „High Noon“ entscheidend ist. Nur einer kann das Duell gewinnen – das Virus oder die Menschen. Oder können beide eine Koexistenz eingehen? Das Virus beherrschbar werden, aber nicht verschwinden? Die drohende Zuspitzung auf diesen Zeitpunkt am Jahresende hat in der Kreuzfahrtindustrie einen realen Hintergrund. Die Amerikaner nennen die ersten drei Monate des Jahres „Wave Period“. In dieser Zeit entscheidet sich, wie hoch die Buchungszahlen im Jahresverlauf ausfallen und auf welchem Preisniveau die Abschlüsse erfolgen. Bleiben auf einzelnen Reisen oder Schiffen Auslastungslücken, können diese nur mit Einsatz erheblicher Nachlässe, hoher Werbekosten und dann vor allem durch Gruppenanbieter gefüllt werden, die niedrige Preise und hohe Rabatte fordern. In Europa gelten am Jahresanfang als Buchungsanreiz Frühbucherrabatte, zeitlich begrenzt und oft sogar gestaffelt. Wer zuerst kommt hat die freie Kabinenwahl und kann die gewünschte Route aussuchen. Auch in Europa gilt: Wer die Grundauslastung für den Sommer und Früherbst nicht schon am Jahresanfang schafft, bekommt ein Problem. Der größte Feind einer frühzeitigen Festlegung auf einen Termin ist die Unsicherheit, ob dieser Termin auch feststeht. Planungssicherheit regelt viele Abläufe im Leben. Das gilt für Familienfeiern wie Geburtstage oder Hochzeiten, für Schulferien und Abiturfeiern. Aber kann die Reiseindustrie für 2021 diese Planungssicherheit überhaupt bieten – und das bereits am Jahresanfang? In der Hochseefahrt wohl kaum.

Angesichts der noch ungelösten Pandemie müssen daher statt eines konzentrierten Anschubs der Nachfrage zunächst einmal möglichen Szenarien unter Berücksichtigung des Einflusses, den die Pandemie am Jahresanfang 2021 noch haben  dürfte, verschiedenen Angebote geschaffen werden.. Die großen Produzenten versuchen bereits in diesem Jahr, mit einzelnen Reisen Flagge zu zeigen, um im Wettbewerb nicht in s Hintertreffen zu geraten, die Kundenbindung nicht zu verlieren und verschiedene Angebote auf ihre Praktikabilität zu prüfen. Dabei nehmen sie in Kauf, dass sich ihre fast wöchentlich ändernden Reiseangebote, Absagen oder Verschiebungen bei vielen  assagieren eine zunehmende Verärgerung auslösen. Einzelne Fahrten ins Blaue sind zwar ganz nett, aber zu einer Kreuzfahrt gehört der Landgang. Zwar sollte inzwischen eigentlich jeder Kunde, der in diesem Jahr noch eine Kreuzfahrt machen möchte, wissen, dass sich seine Reise fast über Nacht auf Grund neuer gesetzlicher Vorschriften oder wellenartig steigender Corona-Fälle ändern oder sogar ausfallen könnte. Aber diese Einsicht verhindert nicht den zunehmenden Frust und auch nicht die um sich greifende Konsequenz: Bleiben wir erst einmal zuhause und warten ab, wie es  im kommenden Jahr aussieht. Stabile Umbuchungszahlen von 2020 auf das Jahr 2021 in der Größenordnung um rund 50 Prozent sprechen dabei zumindest für die unverändert vorhandene ungebremste Lust, auf alle Fälle wieder in See zu stechen.

Doch was geschieht, wenn auch im Frühjahr 2021 immer noch kein stabiles Angebot verkauft werden kann? Dann dürfte es für sehr viele Veranstalter und Vertriebsfirmen richtig ernst werden. Denn nun rückt auch der Zeitpunkt näher, an dem die bisher gestundeten Raten-und Steuerzahlungen sowie hohe Bankschulden gezahlt werden müssen. Wer Anfang des Jahrs immer noch nicht das berühmte Licht am Ende des Tunnels erkennen kann, wird sein Engagement in der Branche überdenken müssen. Und das trifft keineswegs nur auf eine kleine Minderheit zu. Das Corona-Virus entlarvt alles, was auf wackligen Beinen steht. Ganze Staaten, Volkswirtschaften, Konzerne, mittlere und kleine Unternehmen und auch Individuen sind davon betroffen. Und der Kampf gegen das Virus verlangt etwas, was vielen Menschen überhaupt nicht liegt: Verzicht auf Nähe, die sie so sehr brauchen. Die heftigen Demonstrationen sprechen für sich. Ein Spagat auch an Bord eines Kreuzfahrtschiffes, der einen längeren „Wolhlfühl-Urlaub“ nahezu unmöglich macht. Kurzkreuzfahrten ohne Landgänge sind keine stabile Alternative,

Bei den Planungen kommt ein weiterer Aspekt hinzu, den vor allem viele Produzenten gerne übersehen. Bei der Vorbereitung auf die Saison 2021 werden gegenwärtig zwar Reisen ausgearbeitet, schließlich will man Buchungen produzieren, aber ob diese Reisen auch in der vorgesehenen Form stattfinden können, steht heute nicht fest. An dem Verkauf dieser Reisen ist natürlich auch der Vertrieb beteiligt. Der hofft gegenwärtig, dass zunächst einmal Angebote für Bestandskunden auf den Markt kommen, denn dafür liegen sehr viele Umbuchungen vor. Das Neugeschäft wird dagegen zunächst einmal vernachlässigt werden müssen. Das bedeutet, Reduzierung auf bewährte Routen, und Destinationen. Und ein weiteres kommt hinzu. Der Vertrieb muss sich auf eine den gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Regeln bei der Bezahlung verlassen können. Daran änder das Virus überhaupt nichts. Das Reisebüro oder  Online-Portale haben ihre Leistung erbracht, Absagen der Reise durch die Reederei sind kein Grund, die Provision zu verweigern oder Umbuchungen zu verlangen.

Einen Ausweg aus dem Dilemma der Kreuzfahrtbranche sehen die meisten nur in der Entwicklung eines Impfstoffes. Der sollte das Corona-Virus zumindest an einer Ausbreitung hindern können und damit eine Situation schaffen, die alle schon von dem Grippevirus her kennen. Das Virus muss beherrschbar werden. Wer das bieten kann, hat den weltweiten Wettlauf gewonnen. Sollte ein erprobtes Medikament oder ein Impfstoff jedoch noch länger auf sich warten lassen, droht eine heftige Depression mit schlimmen Folgen. Der Verschuldungsgrad der Volkswirtschaften ist ungewöhnlich hoch und das werden neben den Wirtschaftsunternehmen vor allem die Banken zu spüren bekommen, die trotz Stärkung ihrer Eigenmittel nach der letzten Finanzkrise keineswegs in der Lage sind, einen gewaltigen Forderungsausfall zu verkraften. Kein Wunder, dass sie schon jetzt übervorsichtig jeden Kreditantrag prüfen, auch wenn die Kreditanstalt für Wiederaufbau 90 Prozent des Kredites verbürgt. Viele Mittelständler, die lautstark die schleppende Bearbeitung und Gewährung ihres Kreditantrags beklagen, verkennen die Situation der Geldinstitute.

Der „Pechvogel des Jahres 2019“ in der Kreuzfahrtbranche heißt nicko cruises, Stuttgart. Selten ist die Neueinführung einer weiteren Geschäftssparte so missglückt, wie bei dem bisherigen Anbieter von Flusskreuzfahrten, der sich nach einer Insolvenz mit harter Arbeit und vielen vertrauensbildenden Maßnahmen wieder in die Spitzengruppe in dieser Sparte auf den deutschsprachigen Märkten hochgearbeitet hat. Der in diesem Jahr geplante Start in die Hochseefahrt wurde jedoch zu einem Desaster, wenn auch unverschuldet.

Der Haupt-Gesellschafter der Stuttgarter, die portugiesische Firma Mystic Invest, Lissabon, mit Douro Azul, Porto, auf dem portugiesischen Douro auch dort führender Anbieter von Flusskreuzfahrten, entschloss sich vor einigen Jahren, zusätzlich in den Aufbau einer Expeditionsflotte zu investieren. Dafür wurde mit einer portugiesischen Werft, die kaum Erfahrungen im Bau technisch anspruchsvoller Hochseeschiffe besitzt, ein Vertrag über die Lieferung mehrerer Einheiten geschlossen. Der erste Neubau, die WORLD EXPLORER, sollte im Herbst 2018 ausgeliefert werden. Der Einsatz des Schiffes war sorgfältig geplant. Zunächst charterte der kanadische Veranstalter Quark Expedition, Toronto, das Schiff für Antarktisfahrten für insgesamt drei Winterperioden, während der Vertrieb in den jeweiligen Sommermonaten von der Tochter der Portugiesen, nicko cruises, übernommen werden sollte. Außerdem sorgte die portugiesische Firma vor und nahm – vor allem zur Vorbereitung des Einsatzes der weiteren Neubauten, die für den amerikanischen Markt vorgesehen sind, einen Partner auf. Der übernahm 40 Prozent des Mystic Invest-Kapitals und stellt in den USA für die dortige neue Niederlassung der Portugiesen verschiedene Vertriebsschienen zur Verfügung (Schiffsreisen intern. berichtete).

Die erste Hiobsbotschaft von der Werft kam bereits Ende des Sommers 2018. Das Schiff wurde zur Taufe nicht fertig. Diese fand daher auf dem Werftgelände statt. Die Charter von Quark Expedition musste gestrichen werden. Nun freuten sich die nicko-Mitarbeiter auf den ersten Start des Schiffes mit deutschen Gästen. Doch schon der erste Termin musste abgesagt werden, er wurde um einige Reisen verschoben. Aber auch diese Ankündigung war wieder voreilig, die Werft konnte immer noch nicht liefern. Der dritte Versuch sollte jetzt Ende Juli in Hamburg starten. Die erste Kurzreise war für geladene Gäste reserviert und sollte über Nacht nach Kiel gehen, wo dann die ersten zahlenden Passagiere an Bord gehen sollten. Aber auch diese beiden Termine wurden kurzfristig wieder abgesagt und der Erststart auf den 31. Juli 2019 nach Bremerhaven verlegt. Alle gebuchten Gäste konnten, wenn sie die Umbuchung akzeptieren, jetzt zum halben Preis fahren oder 50 Prozent Rabatt auf eine der nächsten Abfahrten erhalten.

Doch wieder kam es anders. Die „World Explorer“ lag auch am Sonntag unverändert im Werfthafen Viana do Castelo und soll nun von dort aus auf direktem Weg nach Reykjavik fahren, um die von dort geplanten Grönlandreisen anzutreten, heißt es bei nicko cruises. Kunden, die von der Absage der Alternativroute betroffen seien, erhalten umgehend ihren Reispreis erstattet und zusätzlich einen Kulanzrabatt in Höhe von 75 Prozent auf den Kabinenpreis einer beliebigen Reise aus dem nicko cruises Programm 2020 oder 2021. Betroffene Reisebüros erhalten die vollen Provisionen auf die ursprüngliche Reise ab Kiel. Die mit diesen permanenten Absagen verbundene Arbeit, die nicht nur die Reservierungsabteilung von nicko cruises, sondern auch die beteiligten Reisebüros und Agenturen leisten mussten, dürften in dieser Häufung nahezu einmalig sein.

Es ist sicherlich kein Trost, dass auch andere Reedereien Probleme mit verspäteten Werftablieferungen haben, wenn es um Prototypen geht. Besonders Hurtigruten wurde davon hart getroffen. Der Bau der ROALD AMUNDSEN kostete nicht nur eine Zeitverzögerung von mehr als einem Jahr, sondern stürzte die Werft in so starke finanzielle Probleme, dass sie von dem Kunden Hurtigruten und einigen Finanzinvestoren übernommen werden musste. Auch Hapag-Lloyd Cruises war durch eine allerdings nur kurzfristige Überschreitung der Lieferzeit zu einer veränderten Einführungsphase einschließlich der Taufzeremonie gezwungen wie auch der australische Veranstalter Scenic, die französische Reederei Ponant oder Crystal Cruises. Solche längeren Bauverzögerungen waren früher allenfalls bei sehr komplizierten Neubauten bekannt. So musste Sea Cloud fast ein Jahr lang auf die SEA CLOUD II warten, die auf einer spanischen Werft gebaut wurde und auch der Bau der SEA CLOUD HUSSAR stand unter keinem guten Stern, da die Werft Insolvenz anmelden musste. Das Echo der Kunden auf solche Pannen ist zum Glück für die Veranstalter fast immer verständnisvoll. Etwas bleibt allerdings immer hängen, auch wenn wie bei einer Insolvenz kein Geld verloren geht. Die enttäuschte Vorfreude auf eine besondere Reise bleibt in Erinnerung – trotz aller Kulanzzahlungen.