Der „Pechvogel des Jahres 2019“ in der Kreuzfahrtbranche heißt nicko cruises, Stuttgart. Selten ist die Neueinführung einer weiteren Geschäftssparte so missglückt, wie bei dem bisherigen Anbieter von Flusskreuzfahrten, der sich nach einer Insolvenz mit harter Arbeit und vielen vertrauensbildenden Maßnahmen wieder in die Spitzengruppe in dieser Sparte auf den deutschsprachigen Märkten hochgearbeitet hat. Der in diesem Jahr geplante Start in die Hochseefahrt wurde jedoch zu einem Desaster, wenn auch unverschuldet.

Der Haupt-Gesellschafter der Stuttgarter, die portugiesische Firma Mystic Invest, Lissabon, mit Douro Azul, Porto, auf dem portugiesischen Douro auch dort führender Anbieter von Flusskreuzfahrten, entschloss sich vor einigen Jahren, zusätzlich in den Aufbau einer Expeditionsflotte zu investieren. Dafür wurde mit einer portugiesischen Werft, die kaum Erfahrungen im Bau technisch anspruchsvoller Hochseeschiffe besitzt, ein Vertrag über die Lieferung mehrerer Einheiten geschlossen. Der erste Neubau, die WORLD EXPLORER, sollte im Herbst 2018 ausgeliefert werden. Der Einsatz des Schiffes war sorgfältig geplant. Zunächst charterte der kanadische Veranstalter Quark Expedition, Toronto, das Schiff für Antarktisfahrten für insgesamt drei Winterperioden, während der Vertrieb in den jeweiligen Sommermonaten von der Tochter der Portugiesen, nicko cruises, übernommen werden sollte. Außerdem sorgte die portugiesische Firma vor und nahm – vor allem zur Vorbereitung des Einsatzes der weiteren Neubauten, die für den amerikanischen Markt vorgesehen sind, einen Partner auf. Der übernahm 40 Prozent des Mystic Invest-Kapitals und stellt in den USA für die dortige neue Niederlassung der Portugiesen verschiedene Vertriebsschienen zur Verfügung (Schiffsreisen intern. berichtete).

Die erste Hiobsbotschaft von der Werft kam bereits Ende des Sommers 2018. Das Schiff wurde zur Taufe nicht fertig. Diese fand daher auf dem Werftgelände statt. Die Charter von Quark Expedition musste gestrichen werden. Nun freuten sich die nicko-Mitarbeiter auf den ersten Start des Schiffes mit deutschen Gästen. Doch schon der erste Termin musste abgesagt werden, er wurde um einige Reisen verschoben. Aber auch diese Ankündigung war wieder voreilig, die Werft konnte immer noch nicht liefern. Der dritte Versuch sollte jetzt Ende Juli in Hamburg starten. Die erste Kurzreise war für geladene Gäste reserviert und sollte über Nacht nach Kiel gehen, wo dann die ersten zahlenden Passagiere an Bord gehen sollten. Aber auch diese beiden Termine wurden kurzfristig wieder abgesagt und der Erststart auf den 31. Juli 2019 nach Bremerhaven verlegt. Alle gebuchten Gäste konnten, wenn sie die Umbuchung akzeptieren, jetzt zum halben Preis fahren oder 50 Prozent Rabatt auf eine der nächsten Abfahrten erhalten.

Doch wieder kam es anders. Die „World Explorer“ lag auch am Sonntag unverändert im Werfthafen Viana do Castelo und soll nun von dort aus auf direktem Weg nach Reykjavik fahren, um die von dort geplanten Grönlandreisen anzutreten, heißt es bei nicko cruises. Kunden, die von der Absage der Alternativroute betroffen seien, erhalten umgehend ihren Reispreis erstattet und zusätzlich einen Kulanzrabatt in Höhe von 75 Prozent auf den Kabinenpreis einer beliebigen Reise aus dem nicko cruises Programm 2020 oder 2021. Betroffene Reisebüros erhalten die vollen Provisionen auf die ursprüngliche Reise ab Kiel. Die mit diesen permanenten Absagen verbundene Arbeit, die nicht nur die Reservierungsabteilung von nicko cruises, sondern auch die beteiligten Reisebüros und Agenturen leisten mussten, dürften in dieser Häufung nahezu einmalig sein.

Es ist sicherlich kein Trost, dass auch andere Reedereien Probleme mit verspäteten Werftablieferungen haben, wenn es um Prototypen geht. Besonders Hurtigruten wurde davon hart getroffen. Der Bau der ROALD AMUNDSEN kostete nicht nur eine Zeitverzögerung von mehr als einem Jahr, sondern stürzte die Werft in so starke finanzielle Probleme, dass sie von dem Kunden Hurtigruten und einigen Finanzinvestoren übernommen werden musste. Auch Hapag-Lloyd Cruises war durch eine allerdings nur kurzfristige Überschreitung der Lieferzeit zu einer veränderten Einführungsphase einschließlich der Taufzeremonie gezwungen wie auch der australische Veranstalter Scenic, die französische Reederei Ponant oder Crystal Cruises. Solche längeren Bauverzögerungen waren früher allenfalls bei sehr komplizierten Neubauten bekannt. So musste Sea Cloud fast ein Jahr lang auf die SEA CLOUD II warten, die auf einer spanischen Werft gebaut wurde und auch der Bau der SEA CLOUD HUSSAR stand unter keinem guten Stern, da die Werft Insolvenz anmelden musste. Das Echo der Kunden auf solche Pannen ist zum Glück für die Veranstalter fast immer verständnisvoll. Etwas bleibt allerdings immer hängen, auch wenn wie bei einer Insolvenz kein Geld verloren geht. Die enttäuschte Vorfreude auf eine besondere Reise bleibt in Erinnerung – trotz aller Kulanzzahlungen.