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Kaum eine andere Branche hat im ersten Pandemiejahr so viele Mitarbeiter an andere Branchen verloren wie das Gastgewerbe und der Tourismus. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kehrten 2020 rund 216.000 Personen ihrem Beruf den Rücken. Im Jahresschnitt waren in der Branche rund 788.600 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wohin sie wechselten, lässt sich nicht so eindeutig beantworten, anders als die Fragen von Marlene Dietrich in ihrem berühmten Lied, auf das sich die Überschrift dieses Kommentars bezieht. 

Den ersten wichtigen Hinweis zu diesem Thema liefert die Pandemie. Mit der ersten Corona-Welle veränderte sich für viele Menschen auch der Arbeitsablauf. Der Zusammenbruch des Geschäfts vor allem in der Touristik, Gastronomie und Hotellerie, verursacht durch staatliche Verordnungen und Verbote, zwang sie zu drastischen Sparmaßnahmen. Zum Hauptrettungsanker entwickelte sich – neben staatlicher Finanzhilfen – die Kurzarbeit. Das bedeutete für viele Arbeitnehmer zunächst einmal Gehaltsverzicht. Denn nur wenige Unternehmen zahlten freiwillig die Differenz zwischen Kurzarbeitergeld und Gehalt. Eine zweite Maßnahme war die inzwischen weit verbreitete Einführung des Home-Office. Dieses Angebot traf allerdings zunächst auf einen digital rückständigen deutschen Arbeitsmarkt, dem zunächst das Know-how und die notwendigen Geräte fehlten. Doch nach und nach konnten sich immer mehr Arbeitnehmer mit dieser Form der Zusammenarbeit anfreunden. Die freiere Einteilung der Arbeit im Zusammenspiel mit dem privaten Tagesablauf zuhause schaffte eine Flexibilität, zu der allerdings Disziplin gehört, um den Ansprüchen des Arbeitgebers gerecht zu werden. Mit dem Beginn der Energiekrise steigerte sich die Attraktivität des Home-Office zusätzlich bei den Arbeitnehmern, die täglich lange Fahrstecken zwischen Wohnort und Arbeitsplatz zurücklegen müssen. 

Die Reaktion vieler Kunden und Veranstalter auf die Pandemie sorgte bei der gesamten Branche für weiteren erheblichen Druck. Da sehr viele bereits bezahlte Leistungen nicht erfüllt werden konnten, entstand eine Welle von Schadenersatzansprüchen, die von sehr vielen Unternehmen, an der Spitze Fluggesellschaften, aber auch Reedereien und Veranstalter zunächst einfach „auf die lange Bank“ geschoben wurden. Die Wut vieler Kunden entlud sich nicht nur bei den Verursachern, sondern auch bei den Vermittlern der Leistungen, vor allem den Reisebüros. Das führte zu einem enormen Druck auf die Mitarbeiter, die ihren oft langjährigen Kunden nur schwer verständlich machen konnten, dass sie in diesem Fall der falsche Ansprechpartner seien. Die aber, die es eigentlich betraf, sperrten Kommunikationswege, stellten beispielsweise Telefone einfach ab und bearbeiteten weder Briefe und E-Mails noch Anfragen ihres Vertriebs. Die Folgen waren neben wochenlangen Verzögerungen bei der Bearbeitung der Kundenansprüche, zunächst ein enormer Druck auf die Mitarbeiter der Branche. Der Ansturm musste schlussendlich erledigt werden, die Bearbeitung allerdings brachte den Unternehmen keine finanziellen Vorteile. 

Diese Mehrbelastung, oft verbunden mit einer coronabedingten geschrumpften Mannschaft, sorgte bei vielen Mitarbeitern kaum für Motivationsschübe. Wenn dann auch noch finanzielle Einbußen hinzukommen und der Arbeitsplatz längerfristig nicht unbedingt sicher zu sein scheint, orientierten sich manche Touristiker neu. Viele entdeckten Arbeitsplätze, bei denen sie durchaus auch ihr Fachwissen einbringen können und in denen sie außerdem nicht nur mehr Geld verdienen, sondern auch Aufstiegsmöglichkeiten vorfinden, die im Tourismus insbesondere für Frauen nur schwer zu finden sind. Angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlich schwierigen Lage, tritt das touristische Arbeitsumfeld als zusätzlicher Gehaltsanreiz deutlich in den Hintergrund. 

Wohin diese Arbeitskräfte abgewandert sind, lässt sich statistisch schwer nachvollziehen. Studien gehen von diversen Dienstleistungsunternehmen aus, die nicht nur höhere Gehälter zahlen, sondern auch mit flexibleren Arbeitszeiten werben. Das kommt den Wünschen vieler vor allem junger Arbeitskräfte entgegen, die zunehmend Wert auf ein intensiveres Privatleben legen als sich nur intensiv um ihre Karriere zu kümmern. Die Teilnahme an gesellschaftlichen sozialen Engagements gewinnt stattdessen an Bedeutung, bei denen Umwelt- und Klimafragen sowie ein zunehmendes soziales Bewusstsein mehr Zeit eingeräumt wird. Deutlich wird dies an der großen Bereitschaft, sich dafür sogar freiwillig ein Jahr zu engagieren. 

Arbeitgeber, die jetzt verzweifelt nach neuen Mitarbeitern suchen, die im Idealfall auch fachliche Qualitäten mitbringen, müssen sich an die Anforderungen dieser neuen Arbeitswelt anpassen. Der Wunsch nach einem Home-Office-Job heißt nicht, dass der Arbeitnehmer auf den persönlichen Kontakt zu seinen Kollegen verzichten möchte. Die Lösung ist in der Regel eine Kombination, die beide Parteien zufrieden stellt. Wer dazu attraktive Modelle anbietet, findet sicherlich leichter zufriedene Mitarbeiter. 

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Die internationale Kreuzfahrtindustrie beschäftigt mehrere hunderttausend Mitarbeiter an Bord ihrer Schiffe. Von ihnen stammt die überwiegende Zahl aus Entwicklungsländern, vorzugsweise von den Philippinen, wo es eine Reihe von spezialisierten Ausbildungsunternehmen gibt, die auch als Arbeitsvermittler tätig sind. Die Beliebtheit der Philippinos oder Philippina beruht allerdings nicht nur auf ihrem freundlichen Auftreten, guter Ausbildung und Arbeitseinsatz, sondern auch auf ihrer geringen Bezahlung. Das nehmen viele Kritiker zum Anlass, von Ausbeutung an Bord zugunsten einer Gewinnmaximierung zu sprechen, während andere darauf verweisen, dass selbst das niedrige Lohnniveau noch über dem liege, das die Mitarbeiter in ihren Heimatländern erzielen können. Beide Argumente sind zutreffend. Tatsache  ist, dass jährlich viele Millionen US-Dollar, die von den an Bord beschäftigten Mitarbeitern/innen in ihre Heimat überwiesen werden, tausenden von Familien einen Lebensstandard erlauben, den sie ohne die Arbeit an Bord nie erreichen können. Ob das die niedrige Bezahlung rechtfertigt, bezweifeln allerdings selbst in einem kapitalistischen System viele.

In Folge der Pandemie sitzen inzwischen jedoch mehr als Hundertausend Philippinos und weitere Crewmitglieder in anderen Entwicklungsländern arbeitslos in ihrer Heimat und müssen sich dort mühsam weitgehend ohne Hilfe des Staates über Wasser halten. Kurzarbeit oder Staatszuschüsse sind dort unbekannt. Hinzu kommt nun noch ein ungewöhnlich hoher Geburtenboom, den nicht nur die Philippinen, sondern auch andere Entwicklungsländer – vor allem Indonesien – zurzeit registrieren. Obwohl viele Familien genau wissen, dass sie eigentlich keine weiteren Kinder ernähren können, gibt es kaum Anstrengungen, sich dagegen zu wehren. Verhütungsmittel kosten Geld, das nicht vorhanden ist. Außerdem sind Antibabypillen und andere Verhütungsmittel knapp und Kondome in Asien sehr unbeliebt. Das beschleunigt nicht nur den Prozess der Verarmung, sondern behindert auch die Entwicklung des Bildungsniveaus. Ein beliebter Spruch in der Kreuzfahrtindustrie: „Der Philippino schließt einen Neun-Monatsvertrag, fährt dann nach Hause, um dort einen Blick auf sein jüngsten Kind zu werfen, produziert schnell ein weiteres und fährt wieder zu seinem Schiff, um weiter das notwendige Geld für die Familie und seinen Traum von einer eigenen beruflich Existenz in seiner Heimat zu  verdienen.“ Eine Pandemie ist bei einer solchen Vita nicht vorgesehen und nur schwer zu verkraften.

Vor allem bei den US-amerikanischen Reedereien wird die Problematik der beschäftigungslosen Mitarbeiter, die mit viel Mühe in ihre Heimatländer zurückgeführt wurden, mit zunehmender Sorge betrachtet. Einzelne Hilfsmaßnahmen wurden zwar gestartet, vor allem, um die Stammbesatzung nicht zu verlieren, aber von einer konzertierten Aktion beispielsweise durch den Reedereiverband CLIA ist nichts bekannt. Der noch zögerliche Neustart der weltweiten Hochseeflotte dürfte die Leidenszeit dieser Mitarbeiter bis weit in das nächste Jahr verlängern. Daran sollten die Passagiere auch einmal denken, wenn sie sich über die Höhe der Trinkgelder / Servicegebühren beschweren. Das Wohlfühl-Ambiente an Bord wird schließlich maßgeblich durch die Mitarbeiter geprägt.